Mit der fotografischen Begleitung der antikapitalistischen Klima-Demo für den Erhalt der Gemeinde Lützerath habe ich mir eine neue Kit Challenge auferlegt. Bei 7 Grad Celsius und Nieselregen ging es am Samstag, den 18. Dezember 2021 auf dem Vorplatz des Dortmunder U los.

Über die fotografierte Demonstration

Noch im Januar soll durch das Oberlandesgericht Münster die Entscheidung getroffen werden, ob die Gemeinde Lützerath die nächste sein wird, die dem Braunkohletagebau Garzweiler zum Opfer fallen wird. Das Offene Klimatreffen Dortmund (@klimatreffen_do) sowie weitere Institutionen und Bewegungen wie Fridays For Future Dortmund (@fridaysforfuturedo) und Extinction Rebellion (@xr_dortmund) setzen sich für den Erhalt der Ortschaft ein und demonstrieren heute, am 8. Januar 2022 direkt in Lützerath. Die von mir begleitete Veranstaltung diente u.a. der Mobilisierung hierfür.

In Dortmund demonstrierten am 18. Dezember 2021 etwa 70-100 Personen für den Erhalt des Stadtteils von Erkelenz. Begleitet von einem eher unüblich großen Polizeiaufgebot. Abgesehen von der Störung der Startkundgebung durch einen Passanten verlief die Demo allerdings ohne besondere Vorkomnisse. Die Organisatoren riefen zur Solidarisierung mit Lützerath auf, einige Demonstranten forderten auf Plakaten gar die Enteignung der RWE in Gänze. Eine durchaus übliche Forderung bei antikapitalistisch geprägten Veranstaltungen.

Bereits seit 2006 laufen die Umsiedlungen der ehemaligen Bewohner. Derzeit verweilt mit dem Bauern Eckardt Heukamp noch ein letzter Bewohner in seinem Zuhause. Seine Heimatgemeinde hat eine fast 1.000-jährige Geschichte, die dem Erdboden gleichgemacht werden soll. Wie zuletzt am Hambacher Forst campieren Klimaaktivisten vor Ort und errichten auf dem Grundstück des Bauern Heukamp Holzhütten und Baumhäuser. Die Frage, die dahintersteckt, ist die, ob wir heute noch Braunkohle für die Sicherung unseres Energiebedarfs benötigen. Während RWE und Landesregierung dies bejahen, wollen die Aktivisten bis zum letzten Moment passiven Widerstand leisten.

Klar ist, es braucht Alternativen. Ich persönlich bin gespannt, inwieweit Robert Habeck den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen kann. Auf Landesebene hat er der Bürokratie bereits ein Schnippchen geschlagen und den Ausbau des regionalen Verteilernetzes in einem Zeitraum bewerkstelligt, der als unmöglich galt.

Wie du eine Demonstration fotografierst

Was erwartet dich bei einer Demo allgemein?

Nicht jede Demonstration ist gleich. Manche laufen äußerst friedlich ab, andere bedingen Gegendemonstrationen und bieten ein gewisses Konflikpotenzial. Entsprechend wichtig ist es, sich vorab genau zu informieren, in welchem Milieu man sich bewegen wird und wie die eigene Ausrüstung aussehen sollte. Als Fotograf bei einer Demonstration gilt für dich dasselbe wie für die Einsatzkräfte vor Ort: Der Selbstschutz steht an erster Stelle. Insofern sind Badelatschen definitiv die falsche Ausrüstung, aber es muss auch nicht immer gleich auf Rückenpanzer und Helm hinauslaufen. Ist unklar, wie sich eine Situation vor Ort darstellen wird, sorge in puncto Equipment lieber vor. Behalte während der Veranstaltung möglichst immer den 360°-Überblick, damit du deine derzeitige Lage richtig einschätzen kannst.

Du solltest dich vorab fragen, aus welcher Perpektive du deine Geschichte erzählen möchtest. Möchtest du die Demonstation einfangen? Zeigst du auch die Gegendemonstration, so es eine gibt? Wählst du friedliche Bilder aus, weil die Demonstranten sich zu 90 Prozent so verhielten? Oder bildest du die 10 Prozent ab, die sich nicht an die geltenden Regeln hielten? Was spiegelt nun den Charakter der Veranstaltung wider? Fotografierst du aus einer neutralen Warte heraus oder möchtest du eine Meinung unterstützen?

Inhaltlich ist eine Demonstration im weitesten Sinne eine Foto-Reportage. Wie man diese aufziehen kann, beschreibe ich in anderen Artikeln auf dieser Seite. Am Ende dieses Beitrages findest du Verweise, so dass du dich näher damit befassen kannst,

Was erwarte ich konkret bei dieser Demo?

Bei der Demo für den Erhalt von Lützerath handelte es sich um eine eher teilnehmerschwache Veranstaltung, die antikapitalistisch geprägt war. Ich erwartete keine großen Übergriffe.

Darüber hinaus sorgte die Corona-Pandemie für eher ungewohnte Bedingungen. Abstand war das Gebot der Stunde, an das die Teilnehmer selbst sich nicht in aller Konsequenz hielten. Die Polizei schaute großzügig darüber hinweg. Aufgrund der aktuellen Fallzahlen galt zudem Maskenpflicht. Schwierig für mich als Fotografen, weil damit ein Großteil von Mimik und darüber ausgedrückten Emotionen im Verborgenen blieben.

Als Fotograf war auch in angehalten, eine Maske zu tragen. Bei den kühlen Temperaturen beschlug mir dadurch ständig die Brille. Ich war mehr mit dem Abwischen dieser beschäftigt, als dass ich wirklich fotografiert habe.

Rechtliches

Das Fotografieren von Menschen bei Veranstaltungen ist häufig eine Grauzone. Du kannst als Fotograf nicht von jeder Person eine schriftliche Genehmigung einholen. Das ist auch dem Gesetzgeber klar. Deshalb gibt es Ausnahmen für Journalisten, die das Fotografieren von Versammlungen betreffen. Grundsätzlich darf daher bei Versammlungen fotografiert werden, ohne von jedem Teilnehmer ein schriftliches Einverständnis zu haben. Allerdings darf nicht jede Situation fotografiert werden. Die Ausnahmen sollen dabei helfen, über eine Demonstration zu berichten, aber nicht den Einzelnen herausstellen.

Dementsprechend sind Aufnahmen von Menschengruppen tendenziell okay, während einzeln, herausgestellte Teilnehmer, die mit Schildern „wedeln“, eher zu vermeiden sind. Im Wesentlichen ein Kompromiss zwischen Pressefreiheit und dem Recht des Einzelnen an seinem Bild. Trotzdem ist es nicht unmöglich, einzelne Menschen mitsamt ihrer hochgehaltenen Botschaft zu fotografieren. Oftmals gilt es als Einverständnis des Fotografierten, wenn dieser in die Kamera schaut und so eindeutig signalisiert, ihm ist bewusst, dass er fotografiert wird. Allerdings ist das Ziehen einer Grenze schwierig und im Zweifelsfall muss die Rechtsprechung über den Einzelfall entscheiden.

Dies ist keine Rechtsberatung. Bitte informiere dich an geeigneten Stellen genau über geltendes Recht.

Besonderheiten durch Verwendung des Kit-Objektivs

Was könnten Herausforderungen des Kits sein?

Kit-Objektive kommen in der Regel nicht allzu lichtstark daher. Entsprechend schwierig gestaltet sich die „Freistellung“, also das optische Herauslösen des Motivs aus seiner Umgebung durch geschickte Wahl der Schärfeebene. Das ist zumindest die meistverbreitete Definition. Freistellung lässt sich allerdings durch vielerlei Elemente erzielen. Durch bestimmte Farben in einem Bild, durch den Bildausschnitt und einiges mehr. Grundsätzlich fehlt einem also nur eine einzige Farbe im Malkasten.

Insgesamt ist das Kit-Objektiv eher von mittelprächtiger Fertigungsqualität und auch die verbauten Komponenten sind nicht von allerhöchster Güte. Das hat zur Folge, dass die Schärfe im Vergleich zu Premium-Objektiven nicht ganz so herausragend ist. Je näher man an das „lange Ende“ kommt, desto schwieriger wird oftmals mit Kontrast und Schärfe. Das solltest du beim Fotografieren beachten und auch im Nachhinein bei deiner Bildbearbeitung ggf. durch einen angepassten Workflow so gut wie möglich ausgleichen.

Was könnten Vorteile des Kits sein?

In meinem Fall ist das Kit-Objektiv ein „18-135mm“. Gegenüber einem „18-55mm“ bietet es also 80 Milllimeter mehr Brennweite. Allein dadurch erreiche ich theoretisch schon eine einigermaßen ordentliche Freistellung, wenn ich die Abstände von Kamera zu Motiv sowie Motiv zum Hintergrund korrekt wähle. Ob das bei einer Demonstration immer so ratsam ist, steht auf einem anderen Blatt. In der Regel möchte man zumindest in gewisser Weise Kontext zeigen und dadurch ein Gefühl für den Ort vermitteln.

Zudem gibt mir die Spanne von knapp 120 Millimetern eine große Flexibilität. Ich kann schnell auf Situationen reagieren, ohne Standort oder Ausrüstung verändern zu müssen.

Im Gegensatz zu einer langen Tele-Brennweite (z.B. ein 70-200 Millimeter) ist das Kit-Objektiv vergleichweise günstig. Es „schmerzt“ also nicht ganz so sehr, wenn dies ein paar Schläge abbekommt. In meinem Fall ist das „Kit“ sogar staub- und spritzwassergeschützt. Das ließ mich im Dezember-Nieselregen einigermaßen unbesorgt fotografieren. Allerdings sollte man es nicht übertreiben. Denn die günstigen Linsen sind üblicherweiße „außenfokussiert“, sprich der Tubus fährt bei Brennweiternveränderungen ein oder aus. Da ist eher die Sollbruchstelle als am Bajonett. Eine übergestülpte Plastiktüte schützt vor Pilzbefall.

Fazit

Es war wirklich eine Challenge. Aber anders, als gedacht.

Versucht man mit einem visuellen Medium zu arbeiten, während man gefühlt die Hälfte der Zeit nichts durch seine Brille sieht, ist das dem Ergebnis nicht sonderlich zuträglich. Die meiste Zeit über war ich gezwungen, meinen Abstand zu vergrößern um die Maske abnehmen und überhaupt fotografieren zu können. Dadurch fehlt die (emotionale) Nähe zum Geschehen.

Das Kit-Objektiv hat sich erwartungsgemäß ordentlich geschlagen. Ich fühlte mich technisch in keinem Moment so sehr eingeschränkt, dass ich ein Bild nicht produzieren konnte, das ich im Kopf hatte.

Bonus

Möchtest du tiefer in die Foto-Reportage einsteigen, findest du in meinem Artikel zur Life-Formel praktische Tipps zu Fotografie und Bildauswahl. Anhand meiner eigenen Fotos erkläre ich dir darin verschiedene Bildtypen. Diese sind auch Bestandteil meines Documentary Photographer’s Field Guide, den du als Gedächtnisstütze stets in deiner Fototasche mitführen kannst.

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