Anfang September diesen Jahres begleitete ich die jährliche Zusammenkunft der deutschen Sketcher-Szene. Eigentlich hätte sie bereits 2020 in Dortmund stattfinden sollen. Durch Corona verschob sich der Termin um satte zwei Jahre. Was lange währte, sollte final gut werden.

Insgesamt drei Tage lang streiften Zeichner durch das Dortmunder Stadtgebiet. Einige waren bereits früher angereist, andere blieben gar länger. Bilder vom inoffiziellen Auftakt am Donnerstag sowie eine Erläuterung meiner generellen Herangehensweise an dieses Projekt findest du in meinem Blogbeitrag „Spürbare Nähe mit deiner Fotografie erzeugen“.

Damit sich neue Aufnahmen nahtlos in den Bestand ihrer Website einfügen, wünschten sich die Sketcher eine neutrale Farbausgabe.

Freitag

Am ersten offiziellen Eventtag reisten die Teilnemher an. Dreh- und Angelpunkt der Veranstaltung war das Museum für Kunst- und Kulturgeschichte (MKK) in der Dortmunder Innenstadt. Hier holten die Angereisten ab 14:00 Uhr ihre Badges ab, erhielten eine umfangreiche Goodie-Bag und auch die Eröffnung am Abend fand dort statt.

Der Dortmunder Ableger der Urban Sketcher begrüßte als Veranstalter die rund 150 Sketcher von außerhalb. Auch das Museum, in Person des stellvertretenden Direktors Dr. Christian Walda, ließ es sich nicht nehmen, die Beteiligten willkommen zu heißen.

Es folgte eine sogenannte Portrait-Party, bei der das Eis gebrochen werden sollte, indem die Sketcher sich anhand verschiedener zeichnerischer Aufgaben kennenlernten. Als Motiv dienten sie sich gegenseitig. Dabei zeichneten sie einander beispielsweise „blind“, ohne auf das Papier vor sich zu schauen oder stellten einander nur mittels Schatten dar.

Es wurde viel gelacht, es bildeten sich erste „Grüppchen“. Ziel erreicht.

Samstag

Am Haupttag der Veranstaltung standen für die Teilnehmer drei Punkte auf dem Programm. Am Vormittag fanden ein Dutzend Workshops und am Nachmittag zehn Sketchwalks parallel statt. Den Abend beging man gemeinsam in der Reinoldikirche.

Workshop

Ich hatte mich für die Begleitung des Workshops von Thomas Bickelhaupt entschieden. Dieser stand unter dem Motto „hässlich ist verlässlich“. Schauplatz war der Dortmunder Nordmarkt. Nicht zuletzt ein Grund, weshalb ich mich für diesen Workshop interessierte.

Nordmarkt

Der Nordmarkt ist ein Ort der Kontraste.

Bei meiner Ankunft begegnete mir ein Flaschensammler, der seine „Beute“ zum Discounter trug. Von der Südseite kommend, führte mein Weg mich an einem blau beleuchteten Toilettenhäuschen und an einer Gruppe Herren vorbei, die vor 10 Uhr scheinbar das erste Bier – oder wie viele auch immer – bereits „inhaliert“ hatten. Schlafplätze von Obdachlosen offenbarten sich zwischen den Sträuchern. Ein Mahnmal erinnert an die „Schlacht am Nordmarkt“, an der unter anderem Hitlers „SA“ beteiligt war.

Ich steuerte auf den Spielplatz zu, der sich am nördlichen Ende befindet. Direkt davor findet sich der „Grüne Salon“, unser Treffpunkt. Hier genossen Gäste ihren morgendlichen Kaffee, mit Blick auf die weniger Privilegierten. Privat könnte ich mich hier nicht hinsetzen und ein Heißgetränk schlürfen, es käme mir überheblich vor. Ich musste unweigerlich an einen Zoo denken – vielleicht wegen der massiven Holzgerätschaften auf dem Kinderspielplatz, die jedem Affengehege gut zu Gesicht stehen würden. Na ja, wir sind halt doch Trockennasenaffen…

Mit meiner Kamera fiel ich auf wie der sprichwörtliche bunte Hund. Mehrfach wurde ich angesprochen, ob ich von der Presse sei und wieso ich vor Ort fotografieren würde. Um meinem Auftrag, der Begleitung der Sketcher, gerecht werden zu können, entschied ich mich final bewusst dagegen, die oben beschriebenen Kontraste prominent in meine Bilder zu inkludieren. Wer genau hinschaut, entdeckt vielleicht den einen oder anderen Hinweis im Hintergrund.

Ablauf

Um kurz nach 10 Uhr begrüßte Thomas Bickelhaupt die Teilnehmer. Thomas ist seit den 90er-Jahren Dozent für Kunst und begann seinen Workshop mit einer etwa einstündigen Theoriesequenz. Reduktion, Kontraste, Drittelregel. Nichts Neues für mich, aber doch eine unerwartete Auffrischung bildgestalterischer Basics.

In der zweiten Stunde erhielt die Gruppe die Aufgabe, Thumbnails zu zeichnen. Sie sollten im kleinen Maßstab verschiedene Motive und Kompositionen ausprobieren und anhand dessen die stärkste Idee herausfiltern. Zwei Holzwinkel dienten als Hilfsmittel um damit einen Rahmen bilden und das Motiv isolieren zu können. Fotografen kennen äquivalent sicherlich den Dia-Rahmen als Tool, um das Sehen zu schulen. Mittels einer gemeinsamen Feedbackrunde wurden die Teilnehmer bestärkt oder gegebenenfalls darauf hingewiesen, warum seiner Ansicht nach ein anderes Motiv vielleicht doch besser wirken würde.

Im Anschluss machten sich die Damen und Herren daran, das ausgewählte Motiv auszuarbeiten. In der Schlussrunde gab es erneut Feedback von Thomas und auch die Teilnehmer gaben sich gegenseitig Rückmeldung zum Motiv, der Gestaltung sowie dem persönlichen Stil des Gegenübers.

Fotografische Herausforderungen

Fotografisch war der Workshop für mich nicht so zufriedenstellend wie für die Sketcher.

Durch die Theoriestunde sowie die ausgedehnten Feedback-Schleifen war meine Zeit noch einmal deutlich begrenzter, als ich erwartet hatte. Die Netto-Zeichenzeit betrug letztendlich vielleicht eine Stunde. Bei einem Dutzend Teilnehmer sind das fünf Minuten Foto-Zeit pro Nase. Da ich möglichst für jeden Einzelnen ein paar Aufnahmen machen wollte, musste es also schnell gehen. Dass sich die Gruppe über den gesamten Platz verstreut hatte, reduzierte die Netto-Zeitspanne zusätzlich.

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, zumindest einen Zeichner intensiv bei der Entstehung seines Werkes zu begleiten um den Prozess fotografisch abzubilden. In diesem Szenario unmöglich.

Hinzu kam, ich konnte nicht jeden in jeder Situation fotografieren, sondern hatte stets den Nächsten oder Übernächsten bereits im Blick. Die Fotos entstanden zwischen 11 und 13 Uhr. Die Sonne stand hoch und der helle Schotterboden reflektierte erbarmungslos. Bei knappen 30 Grad Celsius flüchteten die Teilnehmer zum Zeichnen vielfach unter die Bäume. Durch Licht und Schatten gesprenkelte Gesichter waren häufig die Folge. Es galt für mich Lichtsituationen abzupassen, die bestmöglich „funktionierten“.

Lichttechnisch ein absoluter Albtraum.

Sketchwalk

Am Nachmittag ging es für mich aus dem „Problemviertel“ Nordstadt in das wohl bekannteste „Szeneviertel“ der Stadt, das Kreuzviertel. Studenten und junge Familien prägen hier das Straßenbild.

Während die Teilnehmer des Workshops am Vormittag die sich dargebotene Szenerie vollends annahmen und unter anderem die Schlafplätze der Obdachlosen als Motiv ausmachten, prägten Zeichnungen der umliegenden Architektur das Bild des Sketchwalks. Wilfried, Mitglied der Dortmunder Sketcher-Gruppe führte die Teilnehmer an drei verschiedene Orte innerhalb des Kreuzviertels, die architektonische Spannung boten: In die Althoffstraße, die Liebigstr. und zur St. Nicolaikirche.

Das Event war seitens der Dortmunder Sketcher top organisiert worden. Jedoch wurden die nicht ortskundigen Teilnehmer von Vormittag zu Nachmittag neu durchmischt. In der kurzen Mittagspause etwas essen und zusätzlich quer durch das Stadtgebiet von A nach B finden zu müssen, um zu ihrem nächsten Programmpunkt zu gelangen, schlauchte alle Beteiligten. Einige verabschiedeten sich früher vom Sketchwalk, um noch ein wenig ausspannen zu können, bevor das Abendprogramm in der Reinoldikirche rief.

Daher nachfolgend einige Bildbeispiele aus dem Mittelteil, als noch alle Teilnehmer dabei waren.

Fotografisch war es im Schatten der Häuserschluchten deutlich einfacher. Sicherlich sehen spannende Lichtsituationen anders aus, doch so kommen die Farben und Kontraste der Sketches besonders gut zur Geltung. Auch für mich war der Schatten eine willkommene Abwechslung, ich spürte bereits den Sonnenbrand vom stundenlangen Herumturnen in der spätsommerlichen Mittagssonne.

Steampunk

Für den Abend hatten die Sketcher etwa ein Dutzend Steampunk-Fans in ihren viktorianisch anmutenden Outfits zusammengetrommelt. Parallel reichten Sponsoren ein Kaltgetränk sowie eine Currywurst.

Aufgrund eines familiären Notfalls konnte ich diesen Programmpunkt nicht begleiten.

Da sich zuvor mehrere Fotografen auf Workshops und Sketchwalks aufgeteilt hatten und nun an einem Fleck zusammenkamen, war die Versorgung mit Bildmaterial für den Veranstalter zu jeder Zeit gewährleistet.

Sonntag

Den letzten Eventtag begleitete ich planmäßig nicht mehr.

Zentraler Ort des Geschehens war erneut das MKK. Zwischen 14 und 17 Uhr fand eine öffentliche Popup-Ausstellung statt. Werke, die im Rahmen des Wochenendes entstanden waren, wurden an Pinnwände gehängt oder gleich mitsamt des Skizzenbuches auf Tischen ausgebreitet. „Rough“, rebellisch, unangepasst. Das passt irgendwie zu den Sketchern, die tendenziell innerhalb weniger Minuten ihre Zeichnungen anfertigen und nicht wochenlang an einem Gemälde arbeiten.

Zudem wurde begleitend eine Slideshow mit mehreren Hundert Fotos von Freitag und Samstag gezeigt. Für mich das erste Mal, dass meine Bilder in einem Museum „ausgestellt“ wurden.

Fazit

Es war ein tolles Erlebnis, sich unter so zahlreichen und kreativen Kollegen bewegen zu dürfen. Ich habe viele neue Kontakte knüpfen können. Danke an die Dortmunder Sketcher sowie alle Teilnehmer und das Team vom MKK, dass ihr mich mit offenen Armen empfangen haben!

 , , , ,