Qualität und Wertigkeit eines Fotos sind oftmals ein Streitpunkt zwischen Fotografen. Jeder hat seine Definition, was ein „gutes“ Bild für ihn ausmacht. Auch ich versuche mich an einer Einordnung. Was es mit den Dingos auf sich hat und ob ich in ihnen eine wertvolle Aufnahme sehe, verrate ich dir am Ende.

Zunächst möchte ich zwischen Wertigkeit und Qualität differenzieren. Denn gemein ist beiden Begriffen bloß, sie lassen sich unterschiedlich interpretieren.

Wertigkeit

Die Wertigkeit eines Fotos wird keineswegs einzig durch einen womöglich siebenstelligen Verkaufserlös bei einer Auktion festgelegt.

Eine Aufnahme hat für uns als Fotografen bereits einen Wert, wenn wir durch das Anfertigen etwas Neues gelernt haben. Dabei darf das Ergebnis durchaus technische Mängel aufweisen. Im Zweifelsfall kennen wir nun einen (weiteren) Weg, wie man es nicht macht.

Das Hochzeitsfoto unserer Großeltern würde bei einer Kunstauktion keinen nennenswerten Betrag erzielen. Jedoch überdauert es voraussichtlich mehrere Generationen und vermittelt uns und unseren Nachfahren einen Eindruck, wer unsere Großeltern waren, in welcher Zeit sie lebten und hilft uns bei der Einordnung, wo wir herkommen und vielleicht, ein Stück weit, wer wir sind.

Möchte ich nach der Geburt meines Kindes ein Foto von eben diesem schießen und das schnellstmöglich an die Großeltern weiterleiten, verwende ich dafür ganz sicher keine dedizierte Kamera und übertrage mühselig die Bilder von dort aus auf mein Smartphone. In diesem Moment geht es um Kommunikation, um Emotion – und Geschwindigkeit. Denn ich möchte mich zeitnah wieder Kind und Mutter zuwenden und den Moment genießen. Das Foto selbst hat emotionalen Wert.

Qualität

Die Qualität eines Bildes können wir ebensowenig pauschal festmachen. Wie ein guter Jurist es tun würde, müssen wir sagen: Es kommt darauf an. Bei der Betrachtung des Qualitätsbegriffs stoßen wir zwangsweise auf die Frage, welche Kriterien wir für die Beurteilung zugrunde legen. Eins ist allen Fotos gemein, sie brauchen das „richtige“ Licht. Was genau wir als „richtig“ bezeichnen, darüber lässt sich trefflich stundenlang streiten. Vereinfachen wir es für den Moment und sagen, das Licht sollte Motiv und Bildwirkung bestmöglich unterstützen.

Neben dem Licht finde ich zwei weitere Aspekte für die Bewertung eines Fotos unerlässlich: Gestaltung und Timing. Die Gewichtung unterscheidet sich dabei je nach Genre. In der Architekturfotografie steht vielleicht die Gestaltung an erster Stelle, weil beispielsweise gerade Linien ordentlich ausgerichtet werden wollen. Das Timing ist weniger kritisch als bei der People-Fotografie, wo die Mimik unseres Gegenübers eine wichtige Rolle spielt.

Tauchen wir tiefer in die People-Fotografie ein, zeichnet sich schnell ab, Teilbereiche stellen noch einmal unterschiedliche Anforderungen an uns Fotografen. Ein Business-Portrait vor einfarbigem Hintergrund braucht Licht und Timing, um die Person sinnbildlich im besten Licht dastehen zu lassen. Bei der Reportagefotografie stehen tendenziell Gestaltung und Timing im Vordergrund, es geht um Emotion und Kontext. Beauty-Portraits wiederum leben zwar auch von Timing, jedoch würde ich Licht und Gestaltung einen noch höheren Stellenwert beimessen.

Möchte ich für mein Karate-Studio werben, sind verwackelte Action-Fotos, die ich mit dem Smartphone erstelle, nicht das Mittel der Wahl. Hier spielen Emotion und Geschwindigkeit keine Rolle, Kommunikation jedoch sehr wohl. Mit einem qualitativ hochwertigen Foto vermittle ich den Eindruck einer ebenso hochwertigen Dienstleistung und der Website-Besucher konvertiert deutlich häufiger zum Kunden. Das Foto selbst hat kommunikative Qualtität.

Fazit

Die Frage, ob ein Foto „gut“ ist, impliziert die Anschlussfragen, wer der Adressat der Aufnahme ist und was sie in dieser Person auslösen soll. Es gibt, nüchtern betrachtet, nicht das „eine gute Foto“, sondern eine Vielzahl von zweckmäßigen Bildern. Erfüllt deine Aufnahme den angedachten Zweck und erreicht den Adressaten, ist sie „gut“. Trifft das nicht zu, kann dein Werk qualitativ, im Sinne der technischen Ausführung, noch so hochwertig sein, es besitzt für den Betrachter – in diesem spezifischen Kontext – kaum einen Wert. Bist du der Adressat, kann dein Foto, wenn es auch jeder andere kritisiert und für wertlos hält, für dich eventuell das wertvollste auf der Welt sein. Unabhängig von jedweder Qualitäts- oder Wertigkeitsdiskussion.

Eine Aufnahme anhand der geplanten Verwendung zu beurteilen setzt allerdings voraus, dass du dir Gedanken über seine Fotografie machst und weißt, wofür du ein bestimmtes Bild kreierst. Mir leistet dabei die Lasswell-Formel seit Jahren gute Dienste. Du hast noch nie von diesem Kommunikationsmodell gehört? Es ist wirklich nützlich, für alle Bereiche der Fotografie. In einem anderen Artikel erkläre ich dir die Lasswell-Formel.

Bonus

Das Titelbild habe ich vor vielen Jahren aufgenommen. Es ist gestalterisch und technisch weit davon entfernt, perfekt zu sein. Die Farben der JPG-Engine sind ein Graus und die maximale Auflösung der kleinen Kompaktkamera reicht, nach heutigem Standard, gerade so für die Webdarstellung. Trotzdem hat das Foto für mich einen Wert. Denn es hält den Moment für die Ewigkeit fest, in dem ich wohl erstmals bewusst Licht als Gestaltungsmittel innerhalb meiner Fotografie verwendet habe.

Hier noch einmal in voller Größe:

Bergdingos, Forschungsstation Wolfswinkel
Bergdingos, Trumler-Station (damals noch Wolfswinkel)