Ist dir schon einmal aufgefallen, wie sehr sich viele Filme und Serien, so sehr sie sich thematisch unterscheiden mögen, in ihrem chronologischen Ablauf gleichen? Das liegt daran, dass sie in der Regel auf das gleiche Erzählschema zurückgreifen: Die sogenannte Heldenreise. Sie geht auf Joseph Campbell zurück, festgehalten in seinem Buch „The Hero with a thousand faces“.

1949 erschien „The Hero with a thousand faces“. Anfangs fand das Werk des Literaturwissenschaftlers Joseph Campbell wohl wenig Aufmerksamkeit. Ich fände es wirklich spannend, zu erfahren, ob er damit gerechnet hätte, dass sich das in den nächsten Jahrzehnten so dramatisch ändern würde.

Wer mich kennt, weiß, ich habe unzählige Artikel im Bereich eSport für verschiedene Plattformen verfasst. Darunter waren unter anderem Event-Reportagen für eSport-Vereine. Der Fan sollte sich mitgenommen fühlen und die Veranstaltung aus Sicht eines Spielers oder Teams nachverfolgen können und sich dabei bestmöglich unterhalten fühlen. Das war mein persönlicher Anspruch an einen solchen Artikel – gelang mir damals sicherlich mal besser und mal schlechter.

Jedoch ist genau das auch die Idee von Campbells „Heldenreise“, die ich von diversen Reportagen Dritter kannte und für meine Bedürfnisse als „best practice“ adaptierte. Vermutlich hat sich sein Erzählschema auf diese Weise über die Jahre durchgesetzt.

Das große Ganze ist oftmals zu übermächtig, um es auch nur ansatzweise greifen zu können. Sich auf bestimmte Elemente zu konzentrieren, hilft sowohl Video- als auch Fotografen. Man hat eine bestimmte Zeit vor Ort um sich einem Thema zu widmen, ein begrenztes Budget und final einen limitierten Raum für die Ergebnispräsentation. Die Spielfilmlänge dürfte jedem als Grenze einleuchten. Bei Fotojournalisten war es, insbesondere vor dem digitalen Zeitalter, die Seitenzahl in Magazinen, an die man seine Werke veräußerte.

Hier kommt Campbells Heldenreise zum Tragen.

Heldenreise

Die Heldenreise besteht aus drei Akten und ebenso vielen Wendepunkten. Nachfolgend stichpunktartig heruntergebrochen auf die – aus meiner Sicht – wesentlichen Inhalte reduziert.

 

Akt 1: Trennung
  • Alltag
  • Auslöser
  • Weigerung
  • Gabe
  • Berater
  • Aufbruch

Erster Wendepunkt

Zu Akt 1:

Der 1. Akt dient der Einführung des Settings, des Protagonisten und weiterer Personen – Berater oder Wegbegleiter. Irgendein Auslöser sorgt für eine Veränderung des Alltags des Protagonisten, beispielsweise der Tod einer geliebten Person. Er weigert sich anzuerkennen, dass deren Tod für ihn zum Problem wird. Durch irgendeinen Umstand, beispielsweise den Ratschlag eines Wegbegleiters, entdeckt er seine Fähigkeiten in der Kampfkunst und geht auf eigene Faust auf Verbrecherjagd.

 

Akt 2: Prüfungen
  • Erste Prüfungen
  • Etablierung der Deadline
  • Weitere Prüfungen

Zentraler Wendepunkt

  • Bestehen weiterer Prüfungen
  • Selbsterkenntnis
  • Scheitern (s. Titelbild)
  • Wiederauferstehen

Dritter Wendepunkt

Zu Akt 2:

Der 2. Akt beschreibt den Weg vom Finden der Gabe bis zu dem Punkt, an dem der Protagonist sein ursprüngliches Ziel erreicht. Um dem eingeschlagenen Beispiel weiter zu folgen, sagen wir, das Ziel ist es, den Mörder der geliebten Person zu finden und sich zu rächen. Auf dem Weg dorthin gilt es Prüfungen zu bestehen – natürlich solche, die schwierig zu meistern sind, damit es spannend bleibt. Den zentralen Wendepunkt bildet der Zeitpunkt, an dem unser Protagonist erfährt, dass der Mörder nicht eigenständig, sondern im Auftrag gehandelt hat. Das Ziel ist fortan der Aufgraggeber und der Weg wird, unter Bestehen weiterer Prüfungen, fortgesetzt. Mit dem berühmten Moment des Selbstzweifels, an dem die Begleiter unserer Protagonisten wieder mental aufbauen, irgendwo mittendrin.

 

Akt 3: Ankunft/Rückkehr
  • Letzte Aufgaben
  • Finale Auseinandersetzung
  • Auflösung
  • Belohnung
  • Neues Bewusstsein
Zu Akt 3:

Der 3. Akt folgt aus der Zuspitzung der Story zum neuen Ziel hin. Unser Protagonist findet irgendeinen Hinweis auf das Versteck des Auftraggebers, räumt die Wachen aus dem Weg, gewinnt den finalen Faustkampf und wird zum neuen Verbrecherjäger in den Straßen seiner Stadt. Fortsetung folgt…

 

Du siehst, das Mittel der Heldenreise eignet sich wunderbar um die Entwicklung einzelner Personen oder kleiner Personengruppen innerhalb eines begrenzten Zeitraumes darzustellen. Das macht sie zum universellen Erzählschema in Film, Literatur und der (Reportage-)Fotografie.

Für mich ist die Heldenreise ein nützliches Tool in meinem Foto-Alltag geworden. Probiere, sie anzuwenden und entscheide selbst, ob sie auch in deiner Fototasche einen Platz findet. Bei mir tut sie das als Bestandteil meines Documentary Photographer’s Field Guide. Diesen findest du im Download-Bereich meiner Website. Nach dem Herunterladen einfach ausdrucken, falten, laminieren und überall hin mitnehmen. Das DIN A5-Format passt quasi in jede Tasche.

Weitere Inhalte sind unter anderem die Lasswell-Formel und die LIFE-Formel der Bildtypen. Du hast noch nie davon gehört? Dann könnten die verlinkten Artikel einen Blick wert sein.

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