Es scheint landläufige Meinung in vielen Foren und in sozialen Medien zu sein, man könne keine „gescheiten Fotos“ mit einem Kit-Objektiv schießen. Ich versuche mich am Gegenbeweis.

Als ich meine erste Kamera (APS-C) kaufte, erwarb ich dazu ein Objektiv, das die Brennweiten von 18 bis 135 Millimetern abdeckt. Für die allermeisten Systeme auf dem Markt gibt es vergleichbare Linsen, die ebenfalls bis 135 Millimeter oder zumindest 105 Millimeter gehen. Vielfach werden diese im Paket mit der Kamera direkt angeboten; bei einem vertretbaren Aufpreis im Vergleich zum 18 bis 55 Millimeter, das in der Regel die Standardoption ist. Meines Erachtens lohnt sich der Aufpreis allein schon wegen der gewonnenen Flexibilität und den besseren Möglichkeiten in puncto Freistellung, dem Abheben des Hauptmotivs vom Hintergrund.

Der Grad der Freistellung ist von unterschiedlichen Parametern abhängig, u.a. der Brennweite, der Blendenöffnung und dem Abstand zum Motiv sowie dessen Entfernung zur Hintergrundebene. Die typischen Kit-Objektive, zu denen auch das o.g. zählt, haben eine variable Blendenöffnung. Das bedeutet die Blendenöffnung wird im „Tele-Bereich“, also bei Brennweiten jenseits der 50 Millimeter (an Kleinbild) kleiner. Während bei 18 Millimetern noch f/3.5 zur Verfügung steht, ist es bei vollem Zoom auf 135 Millimeter nur noch f/5.6. Vom Bildlook entspricht das etwa f/8.0 an Kleinbild. Bei diesem Wert nimmt man üblicherweise Landschaftsfotos auf. Es sind also, reinweg von der Blendenöffnung ausgehend, sehr viel Schärfentiefe und somit tendenziell wenig Freistellungspotenzial vorhanden.

Bei Letzterem steuert allerdings die lange Brennweite von 135 Millimetern an APS-C entgegen. Der Umrechnungsfaktor für den Bildeindruck von APS-C und Kleinbild beträgt 1,5. 135 Millimeter an einer Kamera mit APS-C-Sensor wirken demnach wie circa 200 Millimeter an einer Kamera mit Kleinbild-Sensor. Das ist eine relativ lange Brennweite, die eine stauchende und freistellende Wirkung hat. Würde ich ein Bild bei 35 und 135 Millimetern Brennweite von demselben Motiv machen, würde man den Unterschied sehr deutlich sehen. Wer noch kein Gefühl für Brennweiten und deren Eigenschaften hat, kann sich für den Vergleich ein statisches Motiv wie eine Parkbank oder ein parkendes Auto hernehmen und mit verschiedenen Brennweiten das Motiv gleichgroß ablichten. Das Aha-Erlebnis wird groß sein.

Kit-Objektive haben keine extrem große Blendenöffnung wie f/1.8, eine optimale Freistellung lässt sich demnach eher über die Brennweite und den Abstand zwischen Kamera und Motiv sowie Motiv und Hintergrundebene realisieren. Es empfiehlt sich, eine lange Brennweite zu nutzen und die Entfernung zum Motiv möglichst gering zu halten, während seinerseits das Motiv möglichst weit vom Hintergrund weg sein sollte. Entsprechend ist die Wahl der Location für ein Foto mit optimaler Freistellung bei Kit-Objektiven fast noch entscheidender als beispielsweise bei einem teuren Tele-Objektiv wie einem 70 bis 200 Millimeter mit durchgehender Blendenöffnung von f/2.8.

Insbesondere als Anfänger ist es schwierig, sich gleichzeitig auf so viele unterschiedliche Parameter zu konzentrieren. Man kämpft mit den Einstellungen der Kamera, muss in meinem Beispiel noch mit de Reiterin sprechen, das Pferd im Blick haben, auf den Hintergrund und die Position des Motivs davor achten. Hier kann ich nur dazu raten, es sich so einfach wie möglich zu machen. Daher habe ich es mir in diesem Fall selbst einfach gemacht und der Kamera die Belichtungszeit vorgegeben und den Rest ihr überlassen. Die Verschlusszeit lag immer um 1/400s, wenn schnelle Bewegungen im Spiel waren. Die Kamera wird im Regelfall die Blende komplett auf f/5.6 öffnen um hoher Sensorempfindlichkeit und damit einhergehendem Rauschen entgegenzuwirken. Sensorrauschen ist, bei einem überwiegend weißen Bild und helllichtem Tag, kein Problem. Die maximale Blendenöffnung von f/5.6 spielt uns in die Karten. Bei diesem Wert laufen wir weniger Gefahr, den Fokuspunkt nicht zu treffen. Die Schärfentiefe ist relativ groß.

Wichtig ist allerdings, zu wissen, wie die Belichtung der Kamera funktioniert. Schnee ist weiß, also sehr, sehr hell. Kameras belichten immer auf ein neutrales Grau. Der Fotograf muss der Kamera demnach mitteilen, dass sie heller als „neutralgrau“ belichten soll. Ein Griff zur Belichtungskorrektur und das Überblichten um 2/3 einer Blende passt im Schnee zumeist. Ansonsten: Ausprobieren. Heute gibt es keinen Film mehr, bei dem uns jede Auslösung Geld kostet. Das Ergebnis ist sofort zu sehen und wenn das Ergebnis nicht unseren Wünschen entspricht, können wir direkt nachsteuern.

Freistellung ist toll und man kann sie z.B. auch über Kontrast (siehe insbesondere Bild II) und andere Variablen erzielen. Aber nicht vergessen, sie ist nur ein einzelnes Mittel der Bildgestaltung – Perspektive und Brennweite unbedingt variieren! Jedes gute Bild braucht eine Geschichte – und wenn wir es richtig anstellen, können wir mit mehreren Aufnahmen wunderbar selbst eine Geschichte erzählen. Dafür ist ein spannendes Motiv das wichtigste und Bildgestaltung nur zweitrangig.

Viel Spaß beim Ausprobieren!

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Nina und Spirit im Schnee VIII

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